17.02.2023

Pflichtverletzungen, Leistungsminderungen

Details zum Bürgergeld (7)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) entschieden, dass die Sanktionen nach §§ 31 ff. SGB II mit dem Grundgesetz dann nicht vereinbar sind, wenn die Minderung nach wiederholten Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres die Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs übersteigt oder gar zu einem vollständigen Wegfall der Leistungen führt. Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind die Sanktionen zudem, wenn für alle Leistungsminderungen eine starre Dauer von drei Monaten vorgegeben wird.

Sanktionsmoratorium

Bis zum 31.12.2022 waren Sanktionen vorübergehend nur bei verpassten Terminen und nur in Höhe von 10 % möglich, quasi als Übergangsregelung bis zur Einführung des Bürgergelds.

Mit Einführung des Bürgergelds ist das Sanktionsmoratorium ausgelaufen. Leistungsminderungen sind jetzt in Höhe von bis zu 30 % möglich, also in dem Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht erlaubt.

Regelungen ab 2023

Pflichtverletzungen (§ 31 SGB II) sind:

  • bis 30.6.2023: Verstoß gegen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten/fehlende Eigenbemühungen,
  • ab 1.7.2023: Weigerung der Aufforderung nachzukommen, die im Kooperationsplan festgehaltenen Absprachen einzuhalten,
  • Ablehnung zumutbarer Arbeit, Ausbildung oder geförderter Arbeit,
  • Nichtantritt, Abbruch oder Anlass für Abbruch einer zumutbaren Maßnahme

Eine Pflichtverletzung hat nur dann Auswirkungen, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vorher über die Rechtsfolgen schriftlich belehrt wurde oder die Rechtsfolgen kannte. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegt und nachweisen kann.

Leistungsminderungen – Umfang (§ 31a SGB II) und Dauer (§ 31b SGB II):

  • Bei der ersten Pflichtverletzung: Kürzung des Bürgergeldes um 10 % des Regelsatzes für höchstens 1 Monat,
  • Bei der zweiten Pflichtverletzung: Kürzung des Bürgergeldes um 20 % des Regelsatzes für höchstens 2 Monate,
  • Bei der weiteren Pflichtverletzungen: Kürzung des Bürgergeldes um 30 % des Regelsatzes für höchstens 3 Monate.

Wenn zwischen dem Beginn der ersten Minderung und einer weiteren Pflichtverletzung mehr als 1 Jahr vergangen ist, gilt die Pflichtverletzung wieder als 1. Verstoß.

Leistungsminderungen bei Nichtwahrnehmung eines Termins (§ 32 SGB II) von 10 % des Regelsatzes für 1 Monat je verpasstem Termin, auch bei häufigeren Terminversäumnissen.

Zur gleichen Zeit darf es nie mehr als 30 Prozent Kürzung des Regelsatzes geben.

Die Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden. Durch die Begrenzung der Minderungshöhe auf höchstens 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs ist im Regelfall eine Minderung der Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgeschlossen.

Rechtsfolgen für junge Erwachsene

Die bis zum Verfassungsgerichtsurteil geltenden verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.

Junge Erwachsene (U25) sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

Sanktionen sind kein geeignetes Mittel

Laut einer Studie des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung, INES Berlin im Auftrag des Vereins Sanktionsfrei e.V sind Sanktionen sind kein geeignetes Mittel, um Menschen in Beschäftigung zu bringen. Die Studie kann unter https://sanktionsfrei.de/studie eingesehen werden.

Quellen: BMASSOLEX, Thomas Knoche: Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Walhalla Fachverlag; 3., aktualisierte Edition (28. Februar 2023)

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