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01.05.2025

Verschärfung der Armut

Ende April veröffentlichte der Paritätische Gesamtverband seinen Armutsbericht 2025. Der Bericht hat den Anspruch, statistische Erkenntnisse zu Armut zu erfassen und einzuordnen.

Relativer Armutsbegriff

Die Armutsberichterstattung fokussiert sich hier auf den Aspekt relative Einkommensarmut. Der Paritätische folgt damit einer etablierten Konvention, was die Definition und die Berechnung von Armut anbelangt. In Abkehr von einem
sogenannten absoluten Armutsbegriff, der Armut an existenziellen Notlagen wie Obdachlosigkeit oder Nahrungsmangel festmacht, ist der in Wissenschaft und Politik etablierte Armutsbegriff ein relativer. Arm sind demnach alle, die über so geringe Mittel verfügen, „dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist“, wie es im entsprechenden Kommissionsbericht der EU von 1983 heißt.

Wesentliche Aussagen des Berichts

  • Von 2023 zu 2024 stieg nach MZ-SILC die Armutsquote in Deutschland um 1,1 Prozentpunkte. Demnach sind 15,5 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen.
  • 13 Millionen Menschen leben hierzulande unterhalb der Armutsgrenze. Insgesamt bewegt sich die Armut für ein reiches Land wie Deutschland auf einem viel zu hohem Niveau.
  • Die Armutsschwelle liegt aktuell bei Alleinlebenden bei 1.381 EUR im Monat, für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern (unter 14 Jahre) bei 2.900 EUR.
  • Die Armutsschwelle bezeichnet die oberste Einkommensgrenze, bis zu der Menschen als einkommensarm gelten. Diese Schwelle ist jedoch nicht mit der Summe gleichzusetzen, die einkommensarme Menschen tatsächlich im Schnitt im Monat zur Verfügung haben. Tatsächlich liegen viele Arme mit ihrem monatlichen Einkommen deutlich unterhalb dieser Schwelle. Das (äquivalenzgewichtete) Median-Einkommen der armen Menschen, also das mittlere Einkommen, wird für 2024 mit 1.099 EUR angegeben. Im Schnitt liegen arme Menschen mit ihrem monatlichen Einkommen 281 EUR unterhalb der Armutsschwelle.
  • Die Inflation führte zu einer Verschärfung der Armut: Gleicht man die Entwicklung der Median-Einkommen der Armen mit der Preisentwicklung ab, so zeigt sich, dass die Armen seit 2020 real noch ärmer geworden sind. 2020 verfügten die Armen noch im Schnitt über 981 EUR monatlich. 2024 entspricht das preisbereinigte Median-Einkommen der Einkommensarmen 921 EUR. Dabei wird zugrund gelegt, dass man sich in 2024 für einen Euro weniger kaufen kann als noch in 2020. Im Vergleich von 2020 zu 2024 haben kaufkraftbereinigt die Armen im Schnitt weniger zur Verfügung.
  • 5,2 Millionen Personen müssen in erheblicher materieller Entbehrung leben. Darunter befinden sich etwa 1,1 Million minderjährige Kinder und Jugendliche sowie 1,2 Millionen Vollzeiterwerbstätige.
  • Mindestlohn und Wohngeldreform wirken: Die Zahl der Erwerbsarbeitenden in Armut ist leicht zurückgegangen.
  • Die Schutzwirkung des Sozialstaates vor Armut hingegen schrumpft: 2021 konnte die Armutsquote durch die staatliche Umverteilung noch um 27,7 Prozentpunkte reduziert werden, 2024 dagegen nur noch um 25,1 Prozentpunkte. Daraus folgt, dass die Sozialleistungen deutlich erhöht werden müssen.

Lösungsvorschläge

Gegen Armut hilft in erster Linie mehr Geld, so das lapidare Fazit des Paritätischen. Neben der Verbesserung der finanziellen Lage der Erwerbstätigen stünden dem Sozialstaat in Deutschland zahlreiche Instrumente zur Verfügung, um die Einkommen von Rentner*innen, Studierenden und Erwerbslosen zu verbessern.

  • Kinderbezogene Leistungen müssten so ausgestaltet sein, dass keine Familie wegen ihrer Kinder in Armut leben muss.
  • Die gesetzliche Rentenversicherung müsse zukunftsfest und armutsvermeidend aufgestellt werden. Dazu bedürfe es einer perspektivischen Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent und einer armutsfesten Mindestrente.
  • Die Wohngeldreform der Ampelregierung im Jahr 2022 sei eine begrüßenswerte Verbesserung. Diese sei weiter auszubauen.
  • Die Grundsicherung in den verschiedenen Facetten (Bürgergeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe und Asylbewerberleistungsgesetz) sei als nachrangiges System für die Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zuständig. Die Regelleistungen deckten weiterhin nicht die zentralen Bedarfe. Um Armut zu vermeiden, müssten die Leistungen der Grundsicherung auf über 800 EUR angehoben werden.
  • Die Arbeitsförderung müsse ausgebaut werden, damit Erwerbslose bei der Arbeitssuche und -aufnahme besser unterstützt und qualifiziert werden können.
  • Die Einführung einer solidarischen Pflegevollversicherung müsse alle pflegebedingten Kosten übernehmen und den Trend steigender Kosten für die Pflegebedürftigen endlich stoppen.
  • Weiteren Reformbedarf gebe es auch beim BAföG. Die jüngsten Reformen hätten zwar die Leistung erhöht, aber die inflationsbedingten Preissteigerungen nicht ausgleichen können.

Quellen: Paritätischer Gesamtverband, Statistisches Bundesamt, Europäische Gemeinschaften Kommission: Schlussbericht Der Kommission an Den Rat ÜBer Das Erste Programm von Modellvorhaben Und Modellstudien Zur BekäMpfung Der Armut. Komm.; 1983.

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