07.03.2019

Bundesteilhabegesetz (Teil 8) Rechtsanspruch

Eine der noch offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz lautet: Gibt es einen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Eingliederungshilfe?
Zuständig für die Beantwortung der Frage sollte eigentlich der § 107 SGB IX sein.

Die Regelung, dass Leistungen der Eingliederungshilfe nicht übertragbar sind, nicht verpfändbar sind und auch nicht gepfändet werden können, sind vom § 17 SGB XII übernommen. Es fehlt jedoch, weder in der Überschrift noch im Text der Hinweis darauf, dass es einen Anspruch auf die Hilfeleitungen gibt. Der 1. (Halb-)Satz des § 17 SGB XII lautet: „Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch,…“. In § 107 SGB IX steht davon nichts. Die Überschrift zu § 17 SGB XII lautet: „Anspruch“. Die Überschrift zu § 107 SGB IX lautet: „Übertragung, Verpfändung oder Pfändung, Auswahlermessen“.
Heißt das nun, dass das Gewähren von Leistungen der Eingliederungshilfe nur vom Ermessen des Trägers abhängt?

Der Rehabilitationswissenschaftler Dr. Harry Fuchs schreibt in seinem Skript zum Blockseminar „Bundesteilhabegesetz“ am 16.2.2018: „Im Gegensatz zum bisherigen Recht (§ 17 Abs.1 SGB XII) besteht kein einklagbarer Rechtsanspruch auf EinglH. Stattdessen wird den Trägern ein noch weiter ausgedehnter Ermessenspielraum bei der Entscheidung eingeräumt, der zudem durch eine Zumutbarkeitsregelung geprägt ist, über die ebenfalls der Träger entscheidet (§ 104 SGB IX).“ Er befürchtet, dass „dass einheitliche Lebensverhältnisse behinderter Menschen kaum noch zu gewährleisten sind“, weil es im BTHG keine Maßstäbe zur Bemessung der Höhe der Leistungen gebe. Daher sei abzusehen, dass es in Verbindung mit dem weitgehendem Trägerermessen bundesweit zu sehr unterschiedlichen Entscheidungen kommen werde.

Prof. Dr. Arne von Boetticher dagegen schreibt in seinem Buch: „Das neue Teilhaberecht“ (Nomos Verlagsgesellschaft, 2018), auf Leistungen der Eingliederungshilfe bestehe weiterhin ein Rechtsanspruch, wenn die Voraussetzungen des § 99 SGB IX erfüllt sind. Die Ausübung des pflichtgemäßen Bemessens sei beschränkt auf das „Wie“ der Leistungserbringung, nicht auf das „Ob“. „Nur dann, wenn eine Behinderung im Sinne des § 1 SGB IX vorliegt, die jedoch die Schwelle der wesentlichen Teilhabeeinschränkung nach § 53 SGB XII nicht erreicht, steht es im Ermessen des Eingliederungshifeträgers, ob Leistungen zu erbringen sind.“ Die ab 2023 gültige Fassung des § 99 SGB IX sehe eine Fortsetzung dieser Differenzierung nach Anspruchs- und Ermessensregelung vor.

Quellen: Dr. Harry Fuchs, Dr. Arne von Boetticher, „Das neue Teilhaberecht“ (Nomos Verlagsgesellschaft, 2018), dejure.org

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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