23.04.2019

Bundesteilhabegesetz (Teil 14) – Trennung der Leistungen (2)

Notwendiger Lebensunterhalt

§ 27a und § 42 SGB XII

Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung, Erzeugung von Warmwasser und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Dabei gehören zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Bei Kindern und Jugendlichen umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch den besonderen, insbesondere den durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen bedingten Bedarf.

Eine Abweichung gibt es allerdings bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. § 113 Abs.4 SGB IX. Hier ist im notwendigem Lebensunterhalt in den existenzsichernden Leistungen nur der Warenwert eines Mittagessens eingepreist, nicht aber die Kosten, die bei der außerhäuslichen Zubereitung anfallen (Personal, Räumlichkeiten, Geräte und so weiter). Die nicht gedeckten Kosten gelten deswegen als Fachleistung im Rahmen der Sozialen Teilhabe.

Bei der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben gehört etwa die Eintrittskarte für das Kino durchaus zum notwendigen Lebensunterhalt, die Kosten für eine eventuell nötige Begleitperson sind aber als Fachleistung zu beantragen.

Auch bei einfachen Tätigkeiten im Alltag kann es manchmal schwierig werden, die Leistungen genau zu trennen:

Ein Beispiel

Ein Bewohner in einer stationären Einrichtung, bzw. besonderen Wohnform, möchte für seine Geburtstagsfeier eine besondere Nachspeise in der Gemeinschaftsküche zubereiten. Er braucht dabei die Unterstützung eines Mitarbeiters sowohl beim Einkauf als auch bei der Zubereitung. Da er Diabetiker ist muss anschließend der Blutzuckerspiegel gemessen und Insulin verabreicht werden.

Bis Ende 2019 werden alle Leistungen, Lebensmittel, Benutzen der Gemeinschaftsküche, Assistenz beim Einkaufen und Zubereiten vom Sozialhilfeträger übernommen, unabhängig davon, wer die Leistung erbringt oder wie oft sie erbracht wird oder ob damit individuelle Teilhabeziele erreicht werden. Die Leistungen werden erbracht, weil der Bewohner in der stationären Einrichtung lebt. Es handelt sich also um einrichtungszentrierte Leistungen.

Anders sieht es im Jahr 2020 aus. Jetzt werden bewohnerzentrierte Leistungen erbracht:

Lebensmittel Notwendiger Lebensunterhalt
Sozialhilfeträger
Assistenz beim Einkauf Fachleistung
Eingliederungshilfeträger
Benutzen der Gemeinschaftsküche Kosten der Unterkunft
Sozialhilfeträger
Assistenz beim Zubereiten Fachleistung
Eingliederungshilfeträger
Blutzuckerspiegel, Insulinspritze Häusliche Krankenpflege
Krankenkasse

Bei dem Projekt „Geburtstagsdessert“ werden fünf Leistungen erbracht, die in vier verschiedene Leistungsbereiche mit vier verschiedenen Kostenträgern aufgeteilt werden.

Finanzierung über den Regelbedarf

Vorbehalt:
Das, was im Folgenden beschrieben wird, ist geltendes Recht ab 1.1.2020. Trotzdem kann es sein, dass die Regelungen erst später, vielleicht ab 2023 umgesetzt werden. Der Grund ist, dass der Stand der BTHG – Umsetzung und Vorbereitung heute (Stand: 22.4.2019) den Schluss nahe legen, dass man schlicht und ergreifend nicht fertig wird. Vermutlich wird es zunächst Übergangslösungen geben. Wie weit dann „alte“ Regelungen weiter bestand haben, ist noch nicht bekannt.

Der notwendige Lebensunterhalt von Menschen mit Behinderung wird ab 2020 nun unabhängig von der Wohnform über den Regelbedarf finanziert.

§ 27a SGB XII, Anlage Regelbedarfsstufen

Menschen mit Behinderungen in eigenen Wohnungen haben wie bisher Anspruch auf Regelbedarfsstufe 1, es sei denn, sie leben mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammen. Dann bekommen sie Regelbedarfsstufe 2

Menschen mit Behinderungen, die in einer besonderen Wohnform nach § 42a Abs.2 Satz 3 SGB XII, also in den ehemaligen stationären Einrichtungen, leben, haben Anspruch auf Regelbedarfsstufe 2. Hierbei gelten die Einkommens- und Vermögensgrenzen der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung.

Die Leistungsberechtigten in besonderen Wohnformen erhalten nach Antragstellung vom zuständigen Träger (SGB XII oder SGB II) einen monatlichen Regelsatz nach Regelbedarfsstufe 2 einschließlich der Mehrbedarfe nach dem SGB XII. Der Regelsatz wird auf ein vom Leistungsberechtigten bzw. seinem Vertreter bestimmten Konto überwiesen. Aus diesem Regelsatz muss er seinen Lebensunterhalt bestreiten. Der Barbetrag nach altem Recht entfällt.

Wenn der Leistungsberechtigte im gemeinschaftlichen Wohnen lebt, wird er für die Versorgung mit Lebensmitteln sowie den Waren- und Materialeinsatz für Wäsche- und Wohnungsreinigung etc. ein Angebot des Wohnraumanbieters erhalten. In vielen Fällen wird der Anbieter zugleich Leistungserbringer in der Eingliederungshilfe sein. In diesem Fall werden diese Leistungen im Wohn- und Betreuungsvertrag zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungserbringer zu vereinbart.

Die Zusammensetzung des Regelsatzes (§ 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz) lässt erkennen, dass darin Bestandteile enthalten sind, die nach der bisherigen Systematik überwiegend in der Grundpauschale abgebildet sind. Dazu gehören bspw. Nahrungsmittel, aber auch Strom, Reinigungs- und Putzmittel, Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -Gegenstände, Duschgel, Shampoo, Toilettenpapier.

Andere Bestandteile, wie Bekleidung, Innenausstattung, Freizeit wurden dem Barbetrag und der Bekleidungspauschale zugeordnet. Diese Bestandteile machen etwa 130 bis 160 Euro der Regelbedarfsstufe 2 aus. Laut § 121 Abs.4 Punkt 6 SGB IX soll im Gesamtplan festgelegt werden, welcher Anteil den Leistungsberechtigten als Bargeldleistung für die Deckung der persönlichen Bedarfe verbleibt.

Der Rest, also etwa 220 bis 250 Euro, wäre das, was der Leistungsnehmer dem Anbieter für die volle Versorgung im Monat bezahlen könnnte.

Ein weiteres (im Gesamtplan) zu lösendes Problem ist, dass es mit Sicherheit auch Unterhaltskosten entstehen, die Teilhabeleistungen, also Fachleistungen betreffen. Bei der Ausrichtung von Feiern, beim Erwerb von Alltagskompetenzen, bei Freizeitaktivitäten, Einladungen, Besuchen usw. entstehen Kosten, die normalerweise dem Lebensunterhalt zugeordnet werden. Menschen mit Behinderungen würden jedoch in ihrer Teilhabe extrem eingeschränkt, wenn nicht im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe auch Kosten, zumindest anteilig, übernommen würden, die ansonsten dem Lebensunterhalt zugeordnet sind.

Quellen: Bundestag, BMAS, SOLEX, FOKUS Sozialrecht

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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